NATUR UND GEIST SIND EINS

veröffentlicht 7/2016

Vor hundert Jahren hat die bildende Kunst sich auf die Ergebnisse der Psychoanalyse gestützt und den „Surrealismus“ entwickelt. Gegenwärtig gehen Neurowissenschaftler auf die Kunst zu und behaupten: „Der Künstler ist in gewisser Weise ein Neurowissenschaftler, der das Potential und das Fassungsvermögen des Gehirns erforscht, wenn auch mit anderen Mitteln“ (Semir Zekir, „Statement on Neuroesthetics“)…

Meine Arbeit greift die Steilvorlage der Neuroästhetik auf und sieht die Chance aus dem Zusammenspiel von Neurowissenschaft und Kunst eine Metaphysik 2.0 zu entwickeln, die ein neues Gleichgewicht zwischen der „natürlichen“ und „künstlichen Intelligenz“ herstellt. Die „Metaphysik 1.0“ hat Aristoteles verfasst. Sie geht von einer außerhalb des Universums existierenden, überpersönlichen Intelligenz aus. Von einem „bewegungslosen Beweger“, der aus sich heraus, das „sich-selbst-Bewegende“ in Gang gesetzt hat und mal „Zeus“, mal „Urkraft“, mal das „Eine“ und mal die „Eins“ ist. So begann die Zahlenreihe der Griechen tatsächlich mit der „Eins“, unterschied mit ihr das „Eine“ und das „Ungleiche“, das „Eine“ und die „Menge“. Die „Null“ kam erst Jahrhunderte später als Import aus Indien hinzu und brachte die moderne Mathematik hervor, die aus dem „Nichts“ und dem „Etwas“, der 0 und 1 ein digitales System entwickelt hat, das das ganze „Etwas“ erfassen kann, nicht jedoch das „Nichts“

Die „Eins“ ist das Symbol der Technik. Technisches Denken braucht einen klaren Anfang, geht von einer klaren Ursache aus, die möglichst klare Wirkung zeigt. So steht die „Eins“ für den ordnenden Gedanken: Für „rationale Vernunft“. Anders die „Null“. Sie ist das Symbol des Lebens und damit der „irrationalen Vernunft“. Rational gesehen kann Leben und Tod keine Einheit bilden. Real sind sie aber ein Paar. So dass das Leben, weil es irrational und paradox ist, in seiner Ganzheit nur spirituell zu ahnen ist. Es hat einen Vor-Anfang und ein Nach-Ende, hat viele und nicht nur eine Ursache, entsprechend Wirkungen. Dafür steht die „Null“, am Anfang, am Ende, in der Mitte: Für die „Irrationalität der Gedankenleere“… 

Das technische Denken sprechen wir dem Westen zu, das spirituelle dem Nahen-, Mittleren- und Fernen-Osten. Tatsächlich existieren beide Hemisphären in jedem menschlichen Gehirn. Und die Neurobiologie beweist inzwischen, dass das Gehirn spirituell tickt. In zahlreichen Messungen und Experimenten ist belegt, dass der „freie Wille“, das Prunkstück der „rationalen Vernunft“ und damit der „Technik“, im Gehirn eine Illusion ist. Bevor das „Ich“ bestimmt, hat das Gehirn bereits entschieden. Das ist nicht neu. Seit hundert Jahren belegt die Psychoanalyse, dass zweidrittel unseres Alltages unbewusst entschieden werden. Allein wenn präzise Messungen im Augenblick der Entscheidung das „Ich“ überführen, dass es nicht „frei“ entschieden hat, wie es glaubt, dann wirkt das Ergebnis wie ein Schock. Der Philosoph Saul Smilansky von der Uni Haifa schlägt gar vor, den „unfreien Willen“ dem Volk zu verheimlichen, damit es nicht in Lethargie verfällt, wenn es erfährt, dass alles naturwissenschaftlich vorbestimmt ist… 

Stimmt das? Ist die Angst berechtigt? Sind wir, nun da man ins Gehirn hineinschauen kann, ausrechenbar, vorbestimmt, nicht mehr frei in unserer Entscheidung? Für das „technische Denken“, das „Ich denke, also bin ich“, stimmt das tatsächlich. Dieses Abendland des „freien Willens“ geht gleich doppelt unter. Mit dem Beweis: Nicht das „Ich“ denkt, das Gehirn denkt sich ein Ich, indem es sich die Wiederholung neuronaler Verknüpfungen merkt. Und mit der Erfahrung, dass die „Wiederholung“ als „Eins“ von der „künstlichen Intelligenz“ ausgelesen und kopiert werden kann. Wer hingegen von der „Null“, der irrationalen Vernunft“ ausgeht, der sieht im „Unbewussten“, im „Unbegreifbaren“ und „Unfassbaren“, im „absichtslosen Tun“ und damit den „einmaligen neuronalen Verknüpfungen“, sein „Selbst“ und dieses nicht als „Ding“, als Zusammensetzung und Verknüpfung. Der hat Grund zur Freude. Er muss nun für seine FREIHEIT, sein GRUNDLOSES GLÜCK, keine Geister und Götter mehr bemühen, er kann sich nicht nur auf die Jahrtausende alte Wissenschaft der Meditation berufen, er hat nun auch die moderne Naturwissenschaft an seiner Seite…

Das Wort „Bild“ geht im mittelhochdeutschen auf das „bilwiz“ zurück, das „Wundersames wissend“ meint. Dieses wundersame Wissen war die „Gestalt“, die der bildende Künstler bereits in der „Höhlenmalerei“ dem Leben gab. Eine „Gestalt“, die auf „Geister“ zurückgeführt wurde, die, im Glauben der damaligen Zeit, von Außen, aus einem Jenseits das Diesseits, die Welt regierten. Als aus den „Geistern“ der „Geist“ wurde, da vollzog die Intelligenz einen „Quantensprung“ von der vegetativ-haptischen dreidimensionalen Struktur der „Natur des Geistes“ in den kognitiv-berechenbaren zweidimensionalen „Zeitgeist“ der Technik, der zu diesem Zeitpunkt Schrift und Zahl hervorbrachte. Aristoteles schrieb in diesem Moment des Umbruchs seine „Metaphysik“ und aus dem „bilwiz“ wurde das „Abbild der Natur“. Das zunächst in Stein gemeißelt wurde und erst Jahrhunderte später, in der „Renaissance“ zweidimensional gefasst werden konnte und damit erneut einen „Quantensprung“, nun innerhalb des „Zeitgeistes“, von der Hand zum Apparat, zum Gerät, zunächst dem Fotoapparat, dann der Kamera, auslöste…

So kehrte vor über hundert Jahren das „bilwiz“ in Gestalt der „modernen Kunst“ zurück und hatte dabei eine neue Frage im Gepäck: Worin ist das Bild verankert, wenn es kein Abbild der Natur mehr ist und sich nicht mehr auf Geister und Götter stützen kann? Das „horror vacui“, vor dem Kunst plötzlich stand, brachte eine konstruktivistische und eine prozessuale Strömung hervor. Die konstruktivistische Strömung orientierte sich an der Architektur und führte zur „Konzeptkunst“ und „Rauminstallation“, die prozessuale Strömung orientierte sich an der Psychologie der Wahrnehmung und führte zum „Surrealismus“. Der wiederum ein „offenes Bild“ entwickelte, das in motorischen Techniken, im „Abstrakten Expressionismus“, dem „Informel“ und „Tachismus“ seine Schulen suchte und fand, weil es im westlichen Kontext kein Bewusstsein für die „natürliche Erleuchtung“ – die Intuition gibt…

Das „automatische Schreiben“ bzw. „Malen“ machte sich so fast zwangsläufig auf den Weg nach Asien, um dort das „absichtslose Tun“ („Tun ohne Tun“) im chinesischen Tao und japanischen ZEN zu treffen. Denn hier, wo der Mensch kein „Sündenfall“ ist, weil man nicht von einer außerhalb des Universums existierenden Intelligenz, einem „allmächtigen Gott“ ausgeht, findet das „spontane Tun“, das „offene Bild“, seine „Selbstermächtigung“ im „dritten Auge“, in der „Intuition“ – dem „Vorwissen“ aus dem Mutterleib – mit dem jeder Mensch geboren wird. Das natürliche Lebensglück vergisst der Mensch im „Schattenreich der Konzepte“, der materiellen und ideellen Weltverbesserungen, fordert er jedoch intuitiv für ein „glückliches“ und „gelingendes Leben“ zurück, weil er weiß, dass er ohne Weltverbesserung in „Glückseligkeit“ zur Welt gekommen ist. So wird der „Weg des (intuitiven) Pinsels“ – auf dem das Können vom „absichtlichen Tun“, dem intellektuellen Wissen und/oder der imaginierten Phantasie, zum „absichtslosen Tun“, dem Vorwissen aus dem Mutterleib wechselt – hier seit Jahrtausenden praktiziert, wenn auch als Ritual, nicht als freie Kunst. Diesen Quantensprung versucht mein Werk zu realisieren, das in der „natürlichen Intelligenz“ das evolutionäre Potential für eine soziale, nachhaltige und entschleunigte Globalisierung sieht, im Gegensatz zur „künstlichen Intelligenz“, mit der es um etwas anderes geht: Um Weltherrschaft

Die „künstliche Intelligenz“ sollte laut Marx und Engels dem „wissenschaftlichen Sozialismus“ zur Macht verhelfen, tatsächlich brachte sie den „ästhetischen Kapitalismus“ (Gernot Böhme) hervor. Der „Frühkapitalismus“, den Marx und Engels kannten, entstand mit der „Dampfmaschine“. Mit Maschinen, die eine industrialisierte Massenproduktion ermöglichten. Die nicht nur schneller und besser die Bedürfnisse der Bevölkerung befriedigten, als die Landwirtschaft und das Handwerk. Die Maschine verhalf der „Ware“ zum Durchbruch und setzte mit ihr den „Profit“ frei. Den „Gewinn“, der fortan nicht mehr an den „Ort“, weder an Grund und Boden, noch die Tätigkeit einer Person gebunden war. Heute, da in den industrialisierten Ländern die Grundbedürfnisse befriedigt sind und der „Maximalprofit“ durch Transaktionen auf dem Kapitalmarkt erzielt wird, geht diese Wirtschaftsform in den „ästhetischen Kapitalismus“ über. Der im Gegensatz zum „Frühkapitalismus“ nicht mehr „Bedürfnisse“ stillt, sondern „Begehrnisse“ weckt. Künstliche Bedürfnisse, die nicht vom „Gebrauchswert“, durch den „Inszenierungswert“ der Produkte hervorgerufen werden. Natürliche Bedürfnisse werden gestillt. Sie erlischen in der Befriedigung. Anders das „Begehrnis“. Wird dieses befriedigt, wächst es sich zur „Begierde“ aus. So führt der „ästhetische Kapitalismus“ auf beiden Seiten, dem Verbrauch und Besitz, zum „Weltmonopol“ (microsoft, appel, google, amazon, facebook, uber), dessen Maximalprofite heute schon größer sind als Staatshaushalte, die sich mit der von ihnen entwickelten „Main Power“ zu einer „religiösen Mission“ berufen sehen: Zur „Weltherrschaft der Weltverbesserer“, die nur einen Gott kennt: KI – die „künstliche Intelligenz“...

So zwingt die „intelligente Maschine“, die präziser und effizienter arbeitet, als der Mensch es jemals kann, ihn dazu, sich selbst neu zu sehen. Er ist nun nicht mehr das „höchste Wesen“ der Evolution, zu dem Darwin ihn einst erklärt hat. Ein „Ebenbild Gottes“, zu dem die Propheten ihn gemacht haben, will der Moderne schon lange nicht mehr sein. Er, der die „künstliche Intelligenz“ ja selbst entwickelt hat, ist plötzlich ein „irrendes Wesen“, das sein Wesen, den Irrtum vergisst. Denn alles was im Universum geschieht ist „Versuch und Irrtum“. Nichts ist Plan, nichts ist perfekt, alles ist in seiner Unvollkommenheit vollkommen, wenn wir keine alles wissende und alles lenkende Intelligenz, als vollkommene Vollkommenheit, außerhalb des Universums unterstellen. Wie Platon es mit der „absoluten Idee“ tat, die Hegel in eine „historische Idee“ verwandelte, die es durch Marx zur „historischen Tat“ brachte. Wie die theistischen Religionen, die es mit ihren Götter „Jahave“, „Gott“ und „Allah“ versuchen. Wie die Entwickler im „silicon valley“, die ihre „digitale Virtualität“ als ein „Neues Bewusstsein“ verkaufen…

Die „künstliche Intelligenz“ kann das Universum weder umstrukturieren noch lenken, weil ein Teil des Universums, der Mensch, sie entwickelt. Sie kann nicht das ominöse „Allwissen“ sein, denn: „Das Ganze ist etwas anderes als die Summe seiner Teile. Es kommen nicht etwa nur zu den – unveränderten – Teilen Gestaltqualitäten hinzu, sondern alles, was zu einem Teil eines Ganzen wird, nimmt selbst neue Eigenschaften an“ (Wolfgang Metzger, Gestaltphilosoph). Dieses Teil, das in sich bereits die Gestaltqualitäten des Ganzen trägt, kann von der „künstlichen Intelligenz“ weder kopiert noch entwickelt werden. Sie stützt sich, selbst wenn sie den Ergebnissen der Hirnforschung folgt, auf „Herrschaftswissen“ und nicht auf das „pränatale Vorwissen“ der „Intuition“, das diese Qualitäten in sich trägt. Sie fügt Einzelteile wie Puzzlestücke in ein „mathematisch Ganzes“, und merkt nicht, dass das „technisch Ganze“ nicht das „organisch Ganze“ ist, sein wird, sein kann. Das bleibt aus der Perspektive der „Weltverbesserer“ ewig „Steinzeit“, das dem „von Ohngefähr“, dem „ältesten Adel der Welt“ folgt (Nietzsche)…

Aus der Perspektive der Technik ist das Exakte ein Segen, aus der des Lebens ein Fall fürs Irrenhaus. Weil es „ganzheitliches Wissen“ durch „Bulshit“ ersetzt. Die „Perspektive des Lebens“ kennt drei Wege der Erkenntnis: Den „Beweis“, den „Glauben“ und das „Glück“. Die Moderne gründet auf dem „Beweis“, weil dieser wiederholbar, nachvollziehbar und zu verallgemeinern ist. Das ist eine starke Bastion, bis zum „Gegenbeweis“. Der zunächst die „Beweisidee“ stärkt, in der Annahme den Irrtum endgültig auszuschließen. Kommt es dann jedoch zum „Beweis des Gegenbeweises“, verliert der „Beweis“ seine Autorität. So regiert „Bulshit“ und „Hysterie“ die Gegenwart, weil – mit der Einführung des Internets – genau das in großem Umfang geschehen ist. Der „Beweis“, den der Mensch durch sinnliche Beobachtungen bereits in der Antike erbrachte, wurde vom „Gegenbeweis“ exakter Mechanik, vor knapp vierhundert Jahren, durch Newton und zahlreiche andere Forscher und Entdecker, auf eine höhere Stufe gehoben und stürzt nun mit dem „Beweis des Gegenbeweises“, durch digitale Technik, ins „profunde Halbwissen“. Niemand weiß mehr, was er wirklich weiß. Eben dieser Autoritätsverlust, der islamische Staat sagt: „Ihr habt das Tor zur Hölle geöffnet“, der die „Macht des Glaubens“, die „Regierung aus dem Jenseits“, vor knapp vierhundert Jahren in Europa zum Einsturz brachte, erreicht nun das Wissen. Allein, es fällt jetzt nicht der Himmel, in Gestalt von „Ideologien“, auf die Erde, es bricht die „Weltmacht des Beweises“ durch „Hysterie“ auseinander… 

So dass die Moderne vor einem „horror vacui“ steht, auf das sie nicht vorbereitet ist. Sie schaut in den Abgrund der eigenen Tat. Das ist die Stunde des „Aberglaubens“, der „Verschwörungstheorien“ und der „Wissenschaft vom Glück“ (Dalai Lama). Es gibt keine „absolute Wahrheit“, es sei denn wir unterstellen eine „vollkommene Vollkommenheit“ im Jenseits. Doch selbst diese „absolute Idee“ hat sich, wie oben gezeigt, in diverse Wahrheiten aufgespalten. So dass alles relativ ist, ja sein muss, damit es sich bewegen und in einem Zusammenhang stehen kann. Doch wie finden wir in einer relativen Welt eine verlässliche Orientierung. Der „Beweis“ kann es nicht sein und der „Glaube“ auch nicht, er setzt eine „Regierung aus dem Jenseits“ voraus. Es ist das „Glück“. Das was am relativsten erscheint, weil es nicht zu berechnen ist, ist die sicherste Bank. Es entspricht in seiner „inneren Gestalt“ exakt dem Leben…

Die „Wissenschaft vom Glück“ ist keine „Glücksforschung“, die das Glück statistisch fassen will, es ist kein Verfassungsrecht – „the pursuit of happiness“ – wie es in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung heißt und kein „Bruttoglücksprodukt“ wie in Bhutan. Die „Wissenschaft vom Glück“ ist das „negativ Lernen“, wie ich es genannt habe oder das „Loslassen aller Glückskonzepte“. Die Wiedererlangung des „Urvertrauens“, der „Glückseligkeit“, die wir hatten, bevor uns die Traumatisierungen der Welt erreichten. Das Glück ist unsere Natur. Alles was lebt wird durch Glück geboren und sucht im Glück des Außens sein inneres Glück. Das Glück ist kein Zufall, es ist die Regel der Natur. Es wird zum Zufall, in einer Kultur, die das Rechnungswesen einführt. So finden wir in der Liebe das Glück, doch kein dauerhaftes in der „romantischen Liebe“. Die Liebe des „Eros“ zum „Wahren, Guten und Schönen“ ist einfache Kost. Sie wird von der Lüge, dem Bösen und Hässlichen enttäuscht und ist vorbei. Erst mit „Agape“, der Liebe auch des Gegensatzes, mit der Umarmung der Lüge, des Bösen und des Hässlichen, als Bestandteile der Liebe, fällt das „Entweder oder“ – die „Maya“ – das „Trugbild der Gegensätze“ von uns ab. Denn die Lüge, das Böse und das Hässliche, sind lediglich die Gegenstücke zum Wahren, Guten und Schönen; die Nacht, die wir am Tage nicht sehen. Erst wenn der Gegensatz Bestandteil des Satzes sein kann, sind wir nicht mehr in der Dualität verhaftet, lieben aber immer noch „um zu“. Um etwas zu erreichen. So nimmt „Philo“, die Liebe zur „Sophie“ – zur Wahrheit, die letzte Hürde. Aus der „Absicht“, die „Eros“ und „Agape“ noch verfolgen, wird das „absichtslose Tun“ durch „Philo“. Mit ihr ist das Glück dauerhaft – eine „Wissenschaft der Wahrheit“

Der Sozialismus wollte die Kapitalwirtschaft durch die Planwirtschaft ersetzen, weil Marx und Engels davon überzeugt waren, dass es eine Klasse gibt, die diesen Plan verfolgt. Das war ein gewaltiger Irrtum. Der Arbeiter will keine „klassenlose Gesellschaft“, er will am „Kapital“ beteiligt sein. Das ist alles. Der „ästhetische Kapitalismus“ erliegt einem vergleichbaren Irrtum. Er glaubt, der Mensch wird, wenn er die Erde ausgebeutet hat, auf anderen Planeten sein Glück suchen. Entsprechend inszeniert er seine „Zukunft 2.0“ als Marsvision. Allein der Erdbewohner hat daran kein Interesse. Er weiß: Das Leben „schneckt“. In uns lebt der „alte Adam“, die „alte Eva“, die ihr Leben in der Gegenwart, auf der Erde fristen. So gleicht der „ästhetische Kapitalismus“ immer mehr dem „realexistierenden Sozialismus“ in der „sturen Ungerechtigkeit der Politik, mit der (er) sich über jeden Einzelnen hinwegsetzt“. Weil jedes System eine Abstraktion ist, der Beweggründe zugesprochen werden, die der Einzelne nicht hat (Dürrenmatt „Das Schicksal der Menschen“)…

Im Gegensatz zum systemischen Leben in der Kultur, ist das natürliche Leben sich selbst genug. Es kennt weder einen „Mehrwert“, „Gebrauchswert“, noch „Inszenierungswert“. Aus der Perspektive des Lebens ist das LEBENLEBEN keine Leistung, sondern „Selbstverständnis“, der „Selbstwert“ des Lebens. Aus der Perspektive der Technik ist das LEBENLEBEN hingegen überdimensional, unerreichbar groß. Weil die „Neue Welt“ in einem, für sie unauflöslichen Dilemma steckt: Die „Alte Welt“ liebte das Leben. Der „Eingeborene“ hat keinen „Stolz“ gegenüber dem Leben, er war/ist der Stolz – der „Selbstwert“ des Lebens. Ganz anders der „Stolz“ in der Moderne. Der moderne Mensch braucht „Menschenrechte“, um seinen „Selbstwert“ zu schützen. Denn die Wirklichkeit der modernen Gesellschaften folgt dem „falschen Stolz“. Ihr höchstes Gut ist „Leistung“, deren Prämierung durch „Gold“. So dass das höchste Gut – die „Leistung“ – im Kapitalismus eine paradoxe Wende nimmt: Die größte Leistung ist die Vermehrung von Geld ohne Leistung. Entsprechend versumpft der „Selbstwert“ des Menschen, nehmen Depression, Burnout und Amokläufe zu, weil sich der Sinn im Leben nicht durch Tun, durch „Tun ohne Tun“ (Laotse) ergibt…

Das Leben kennt nur eine Richtung. Das Rad der Geschichte dreht sich nicht zurück. Es gibt kein „Zurück“ zum „Früher war alles besser“, das die Populisten derzeit weltweit bedienen. Kein: „Zurück zur gottgewollten Natur“, zur „Nation“, zum „Nationalsozialismus“, zur „Klasse“, zum „Sozialismus“, zum „Sozialstaat“, dem „Rheinischen Kapitalismus“. Es gibt nur ein „Vorwärts zum Recht des Einzelnen auf Glück“ (Dürrenmatt). Allein dieses Recht steht nicht auf dem Papier. Es ist die Rückbesinnung der Ohnmächtigen auf ihre Macht. Auf die „Macht des Einzelnen“ (ebenda), auf das „Vorwissen“, die „Intuition“, das „dritte Auge“, das „Mitgefühl“. Auf die „Weisheit“ und „Erfahrung“ des Menschen, die einst einem „Jenseits“, einem „allmächtigen Gott“ zu gesprochen wurde und im Zusammenspiel von Kunst und Neurowissenschaft zum „Abenteuer des Geistes“ (ebenda), zur „Selbstermächtigung des Einzelnen“, führen kann. Weil die Menschheit sich die Abenteuer der Massenkultur: Welteroberung, Weltherrschaft und Weltzerstörung, durch Terror, Krieg, Diktatur und Konsum, nicht mehr leisten kann und Gegenentwürfe wie die „Demokratie“, die „Polis“, die „Kommune“, die „Räte“ und andere „soziale Plastiken“ (Beuys) nur durch „Selbstbestimmung“ funktionieren. Eine „soziale Plastik“ kann auch Nietzsches „fröhliche Wissenschaft“ sein, die dem „Erkenne dich selbst“ folgt und Natur nicht mehr als „das Andere“ erforscht, wie es die Naturwissenschaft, inklusive der Hirnwissenschaft macht, weil alles Teil der Natur ist…

So bekommt das „offene Bild“ eine ganz andere Bedeutung. Es steht nicht mehr für eine „Ursuppe“, die die Konstruktivisten der „Neuen Welt“ längst hinter sich gelassen haben. Es zeigt das LEBENLEBEN: Das „absichtslose Tun“ – den Reichtum der „natürlichen Intelligenz“. Den „natürlichen Kommunismus“, der dem „ästhetischen Kapitalismus“ und dem „wissenschaftlichen Sozialismus“ ewig überlegen ist. Weil der Mensch, was immer er auch macht, sein Selbst – die Natur – nicht abschütteln kann. So stehen wir vor einer neuen Aufklärung. Vor einer Aufklärung der Aufklärung. Weil die vor uns stehenden Aufgaben nicht durch „isoliertes Rechnerwissen“ gelöst werden können. Es ist „altes Wissen“ gefragt: Liebe, Mitgefühl, Glück, Weisheit, Intuition, Erfahrung…

Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit greift der heutige Mensch offen und transparent auf das instinktive Vorwissen, auf die „natürliche Intelligenz“ zurück. Dank der „künstlichen Intelligenz“ wissen wir zwischen Hard- und Software zu unterscheiden und haben durch das ständige Einarbeiten in neue Programme das „horror vacui“ vor dem Nichts verloren. Wir wissen: Wo nichts ist, ist immer noch etwas, nämlich das Nichts, das wir vom Etwas aus nicht verstehen. Erst wenn wir uns in das Nichts hinein riskieren, erfahren wir, dass dieses Nichts das All(es) ist. Zu groß für unser Etwas, deshalb nichts. Damit können wir direkt und unmittelbar nichts anfangen. Das stimmt. Bis wir merken, dass dieses alles Nichts mit uns etwas anfängt. Es beherbergt uns. Nichts geht in diesem Nichts verloren, alles verwandelt sich in ihm…

Technik ist ein Segen für das Überleben und ein Fluch für das Leben, weil sie Aufmerksamkeit ohne Achtsamkeit verlangt. Wir folgen mit ihr einem Programm, das, weil es ein Programm ist, Achtsamkeit ausschließt. Es richtet die Aufmerksamkeit des Geistes auf das Überleben. So denken wir an uns. Während die Achtsamkeit des Leben, die es gibt, weil Leben kein Programm hat, seine Aufmerksamkeit auf alle Lebewesen richtet. Diese Entscheidung wird in jedem Moment in unserem Hirn neu getroffen. So geht die Metaphysik 2.0 aus der „Neuroästhetik“ hervor…