Du sollst dir dein Bild machen!

Reflexiver Nachklang zum „Traktat in Wort und Bild über die Entstehungsform“

Mein Bild fordert vom Betrachter: „Du sollst dir dein Bild machen!“ und widerspricht damit nicht nur dem Bildverbot, das, dem Mythos der „Heiligen Schrift“ nach, vor 2500 Jahren auf historisch nicht belegten Steintafeln, von einem historisch nicht belegbaren Gott, an einen historisch nicht belegten Moses übergeben wurde. Es wendet sich ganz grundsätzlich gegen den Mythos des Schöpfers, gegen dessen Schöpfungen aus dem Nichts, der sich als letzte Domäne neben der Religion, noch immer in der Kunst hält…

Nachdem das „Nichts ist“, aus dem das Bild entstand, zunächst die Fels- und Höhlenwand war – der Mensch brachte Licht in das Dunkel der Höhle und sah in den Formationen der Wand seine Wahrnehmungen aus dem Außen gespiegelt – wurde es, nach dem verlassen der Höhle, zum „Ritualgegenstand“, der als „Totem“ (als Ahne des Stammes) Gestalt annahm, als Statue schließlich zum „Ebenbild“ wurde. In den Götterstatuen der griechischen Antike, die die psychologischen Phänomene des Menschseins spiegeln, bekommt das dreidimensionale Gebilde nicht nur „Form, Maß und Akribie“, das Bewusstsein der sinnlichen Wahrnehmung erhält eine vom Gegenstand unabhängige, abstrakte „Ästhetik“, aus der in der Renaissance ein zweidimensionales „Tafelbild“ wird. Im „Altarbild“ bekommt es schließlich mit dem „goldenen Schnitt“ eine christliche Gottperspektive. Dabei dient die „Mechane“ als Vorlage für die „dritte Dimension“ auf zweidimensionalem Grund. Die „Mechane“ war in der griechischen Antike eine Mechanik, mit der am Theater ein am Kran hängender Schauspieler als Gott in das Bühnenbild eingeführt wurde. In der Renaissance wird daraus eine „geometrische Illusion“. Aus dem „Mittendrin“ des „Opferrituals“, in dem der Mensch in Ekstase den Durchbruch in das Undenkbare, im Körper das „Geistige der Natur“ erlebte, ist nun endgültig eine der Erfahrbarkeit entrückte „Transzendenz“, ein theologisches „Jenseits“ geworden. Das „dritte Auge“, das im Hinduismus noch auf der Stirn des Menschen markiert wird, ist in den Himmel projiziert und schaut „von Oben“, aus dem „Jenseits“ auf das „Diesseits“. Im abstrakten Bild – „Mit allen Mitteln der Kunst, nichts schildern“ (Gerhard Richter) – taucht dann wieder ein „Nichts ist“ auf, das als „Narrationsverbot“ die abendländische Dualität, die Unvereinbarkeit von Geist und Materie aktualisiert…

Ob es den Auszug der Juden aus Ägypten jemals gab, ist sowenig belegbar wie die Steintafeln der 10 Gebote, offensichtlich ist jedoch ein neues Transzendenz-Verständnis, das der jüdische Glaube begründet. Im alten Ägypten waren die Pharaonen Gott auf Erden, verkörperten sie den „Himmel auf Erden“, wurde ihr immanent-transzendentes Reich auch nach dem Tod in den Pyramiden bewahrt. Diesem gegenständlichen Verständnis vom „Reich Gottes“ setzt das Judentum mit JHWH einen bilderlosen und abstrakten Gott entgegen, der sich der Welt als Gesetz, dem Menschen in Geboten offenbart. Bis in die Aufklärung hinein hat sich dieses Verständnis im Begriff der „Vernunft“ und durch die Behauptung von „Naturgesetzen“ manifestiert…

Die Frage nach einem anfanglosen Anfang und endlosem Ende, die in der „Ekstase“ – als geistige Transzendenz in der körperlichen Immanenz – eine existentielle Antwort erhält, stellt sich nicht, muss noch nicht einmal tabuisiert werden, wenn das Denken in einem vom Mythos behaupteten Anfang und Ende eingerahmt ist. Die Aufklärung widerlegt bis heute lediglich das symbolische, an den Glauben gebundene Denken, damit den Mythos als Form, dessen Inhalt – die Schöpfung von Anfang und Ende – wird von ihr fortgeschrieben. Denn die Religionen haben mit ihrem Anfang und Ende den erfolgreichen „Auszug aus dem Geist der Natur“, die Eindämmung der Ekstase durch das „Schwarz auf Weiß“ der Schrift vorgemacht und die Wissenschaft und Technik hat mit der KI als „Mechane“ einen zeitgemäßen Gott vor Augen. So wacht das Subjekt noch immer als „erster Mensch“, proflexiv aus einem anfanglosen Anfang auf und schläft mit einem endlosen Ende ein, nachdem er als „letzter Mensch“ im reflexiven Nachgang „Übermensch“ gespielt hat. Aus dem intrinsischen „Bewusstseinsstrom“ seines Tages hat er durch Ursache und Wirkung ein extrinsisches „Wissen ist Macht“, ein „Über-Ich“ erschaffen, das dem Zivilisierten als „feste Burg“ dient. So dass das Subjekt nach außen in seiner Konformität stabilisiert ist, im Innen jedoch ohnmächtig verzweifelt, weil die Instinkte sich nicht zivilisieren…

Mit anderen Worten: Die Entfremdung des Menschen durch den Menschen, durch eine dem Objekt (ob Gott, ZK oder KI) unterworfene Subjektivität, geht zurück auf einen Mythos, den der Theismus in unterschiedlichen Formen als Judentum, Christentum und Islam in die Welt gesetzt hat, den die Moderne mit den Möglichkeiten der Technik in eine Ersatzreligion, den „Fortschrittsglauben“ verwandelte, der als „politische Ökonomie“ einen Wettlauf der Systeme einläutete, den der Sozialismus als „Planwirtschaft“ gegen die „Überflussproduktion“ des Kapitalismus gewinnen wollte und verlor, weil die Unterdrückung der Subjektivität im „Konsum“ eine adäquate Ersatzbefriedigung findet, die eine „Parteilinie“ ihr nicht geben kann. Eben dieser Glaube vom „Paradies auf Erden“ durch „Fortschritt“, den der Kapitalismus und Sozialismus favorisieren, oder vom „Paradies im Himmel“ durch irdische Askese, den die Religionen anstreben, erreicht seine Grenzen, indem er sich selbst, in sein Gegenteil – zur „Hölle“ verkehrt. Das ist die Zeitenwende, die wir gegenwärtig durchleben. Der Lack ist ab. Die Menschheit kann nicht mehr so weitermachen wie bisher. Sie braucht ein neues Selbstverständnis als Mensch, wenn sie überleben will…

Die „dritte Dimension“ ist im Leben kein „Trugbild“, weder ein „Nichts ist“ noch eine „Mechane“, sie ist das „absolute Nichts“, der „schwankende Grund“ auf den das Leben durch den Tod gestellt ist, der zugleich dem Leben Schönheit, Wahrheit, Gleichheit und Freiheit verleiht. Als absichtsloses „Sein-Tun“ setzt das Leben den ersten Schritt ins Lebenleben, ewig als „Anfängergeist“, denn auch im späteren Leben kann das längst Bekannte mit einem absichtslosen Schritt neu gesehen werden. Allein im „absichtslosen Sein-Tun“ ist das „Hier und Jetzt“ tatsächlich „Paradies auf Erden“, ein Weg, auf dem die Lebendigkeit des Lebens sich als „Liebe“ offenbart, während das gebildete, absichtliche Tun, das „Ego“, sich im „Sachzwang“, in der Dualität von Ursache und Wirkung verstrickt. Anders die „Intersubjektivität“. Sie sieht sich nicht, sieht nicht im „Selbst“, im „Inter-„, im Zwischen ihre „Identität“, als „Weg“ zwischen dem Nicht-Selbst der Evolution, dem Ich-Selbst des Egos und dem Nächsten-Selbst der Empathie, der ihr große Weite und nichts Heiliges verleiht. So ist die „absolute Freiheit“ das „absolute Nichts“. Nur im „Feld der Leere“ kann „Ekstase“ entstehen, die die Transzendenz als Immanenz, den Geist als der Materie innewohnend erfahrbar macht, so dass der Perspektivwechsel keine Kommunikation mit dem Abwesenden, weder ein erdachtes „Nichts ist“ noch eine illusionäre „Mechane“ ist – kein „Kai aus der Kiste“, der als „Schöpfung“ angebetet wird…

Das „ekstatische Nichts“ verlangt ein neues Bild.