BILD OHNE AUTOR


KUNST KOMMT NICHT VON KÖNNEN.


 

Vor hundert Jahren zeigte der „Kosmos Kandinsky“ die Informatik in der Kunst, nach dem uns zuvor der „Kosmos da Vinci“ die Vermessung der Welt zeigte. „Das Geistige in der Kunst“, wie Kandinsky seine Arbeit nannte, sahen wir dabei nicht. Weil das große Andere zum Körper nach seiner architektonischen Vermessung abhängig vom Körper lediglich unabhängig von ihm eine geometrische Fassung erhielt. So blieb das Geistige in der Kunst im Symbolischen stehen und durchlebte nicht die Transzendierung, die aufgeklärt das Körperliche längst hinter sich hat. Materie erklären wir aus Welle und Teilchen, das Leben aus Bakterien und Vieren, allein das alles Bewegende, der Geist erklärt sich uns noch nicht aus seiner Selbstentfaltung.


KUNST IST SCHÖNHEIT DES BEGEHRENS

DAS SYMPTOM IN DER KUNST


Bilder verweisen auf etwas, das man gerade nicht sehen kann. Das Sichtbare wird generiert durch etwas Unsichtbares und hängt von ihm ab.“ (Jaques Derrida)

Es gibt da eine Leerstelle, und diese Leerstelle heißt der Andere, der Andere als Ort, an dem die Rede, insofern sie verlegt wurde, die Wahrheit gründet.“ (Jacques Lacan)


Womit beginnen? Mit der „Leerstelle“ vor dem Wort als Ort und Rede des „großen Anderen“. Mit der absoluten Freiheit. Die ist, ohne da zu sein. Im Symptom, dem Zusammenfallen von Alogik (unbewusst) und Logik (bewusst) zum Klangbild, aus dem sich Worte bilden. Mit ihnen greift das Denken in das Geschehen ein und ordnet es gesprochen biometrisch geschrieben geometrisch neu. So behaupten wir Anfang und Ende aus ihnen Dualität, die die Alogik des Realen in eine symbolische oder imaginäre Welt umdeuten. Aus diesem Jenseits von Gut und Böse begehrt die Lebendigkeit des Geistes sich selbst als Autopoiese. Als das, was sich von selbst entfaltet und befreit, indem es das Kreuz aus Alogik und Logik auf seine Schultern nimmt. So kommt der Geist aus dem Unbewussten. Von ihm geprägt erinnert er noch kein „objektives Bewusstsein“, so Hegel. Weil das unbewusst Bewusste von den Religionen zur Aufklärung eine Umdeutung des Realen zum Ding vollzieht und dabei kollektiv das „große Andere“ die „Leerstelle“ als Ort „an dem die Rede, insofern sie verlegt wurde, die Wahrheit gründet“ (Lacan) ignoriert. Über Jahrtausende hinweg, in denen die Leerstelle erkannt wurde „Verborgene Harmonie ist stärker als offenkundige“ (Heraklit), „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ (Sokrates) bis zu Derridas „Un-Grund des Nicht-Sinns“.

Real, indem der Autor im Bild verschwindet. Im Symptom verschwindet und nicht als Kopist das Ding weiter doppelt. Jenes Wesen, das den Menschen gefangen hält. Niemand kann aus seiner Haut. Der Fisch nicht, der Vogel nicht, der Baum nicht, nicht der Mensch. Nichts und niemand muss aus seiner Haut, um sich als Teil des Ganzen zu erleben. Allein der Mensch versucht es, indem er dem „kleinen Anderen“ (Lacan) seinem Spiegelbild erliegt. Er sieht sich ob in der Pfütze, dem Spiegel oder der Reaktion der Anderen, glaubt „Das bin ich“. Im Gegensatz zum Symptom „Wer bin ich?“ steht das Spiegelbild fest. Imaginär verleiht es dem Ich eine feste Struktur. So hängt der Mensch einem Ideal an, das es nicht gibt. Die wirkliche Wirklichkeit ist unfassbar. So erleben wir, dass Wissen nicht Wahrheit ist. Die „narzisstische Kränkung“ (Freud) wird durch das Künstliche (siehe KI) überwunden und das Gegenteil tritt ein. Der synthetische Fortschritt zerstört die Lebensgrundlagen, indem er die Doppelung als Endlösung verspricht. Wahrheit geht anders. Sie zeigt sich in der Dekonstruktion.


Diese Bemächtigung der Leiblichkeit bildet die Bedingung des Freiwerdens der Seele, ihres Gelingens zum objektiven Bewusstsein.“ (Hegel)


So löst sich der geistige Knoten zwischen Alogik, Logik und Leere auf, indem der unbewusst-bewusste Blick auf das Reale sich als leer erweist. Sodass die Dreieinheit aus imaginär (bewusst) symbolisch (unbewusst) und leer (real) den Geist des Menschen wie im borromäischen Knoten prägt, in dem drei Ringe miteinander verbunden, zugleich unabhängig von einander sind, sobald sich nur eine Bindung löst oder entsteht. So ist die absolute Freiheit nicht separat, nichts, für das man kämpfen oder gar in den Krieg ziehen kann. Sie ist hier und jetzt das „große Andere“. Das Begehren im „Dazwischensein“ (Aristoteles). „Was geschieht mit dem Mit zwischen Zweien?“, fragt Derrida. Was mit dem Begehren des Undenkbaren? Haben wir den Eros der „Leerstelle“ erkannt, sehen wir der kategorische Imperativ der Wahrheit kann keine Konstruktion weder Kants „Allgemeines“ noch Hegels „Historie“ sein. Der „Un-Grund des Nicht-Sinns, aus dem der Grund des Sinns geschöpft wird und in dem er sich erschöpft“ (ebenda) ist leer. Allein die Leere transzendiert, indem sie Logik und Alogik dekonstruiert zur Wahrheit.

Ausgehend vom Realen als Leere stellt sich der Geist neu auf. Kants „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“ kann nun nicht mehr aus der „selbst verschuldeten Unmündigkeit“ befreien. Denn das „Ich denke, also bin ich“, das Realitätsprinzip des Verstandes ist Dualität, bewegt sich nur zwischen Ja und Nein, Gut und Böse kann auch objektiv nur ein Richtig und Falsch, weder Wahrheit noch Freiheit sein. Es sieht, indem es zweidimensional denkt, die wirkliche Wirklichkeit nicht. So sagt Lacan: „Man muss sagen: ich bin nicht, da wo ich das Spielzeug meines Denkens bin; ich denke an das, was ich bin, da wo ich nicht zu denken denke.“ Heißt: Das Reale ist weder Geist noch Materie es ist leer. Obwohl es physikalisch die Vernetzung von unendlich vielen Wellen und Teilchen ist, biologisch Bakterien und Viren das Leben verkörpern und geistig das Sein das Bewusstsein prägt. Das Reale ist anders, es muss leer sein. Sonst wäre es nicht lebendig und vergänglich. Es ist, was sich im Zusammenfallen von Objekt und Subjekt selbst erschafft. „Autopoiese“ (altgr. autos „selbst“ poiein „schaffen, bauen“).

So legt der Geist gerade sein Kettenhemd ab und macht es mit künstlicher Intelligenz. Indem nicht mehr der Mensch die Maschine, die Maschine den Menschen beherrscht. Ein Pyrrhussieg. „Noch einen solchen Sieg über den Geist, dann sind wir vollständig verloren!“ (Sagte Pyrrhus zum Sieg über die Römer.) „Der Geist kann nur den Geist besiegen und sich von ihm besiegen lassen“, notiert Derrida. Denn das Reale ist leer. Ewig leer. Der Stoffwechsel von fest zu leer ist im Universum unendlich und es gibt nichts und niemand, der oder das ihn überschaut. Allein der Mensch bewegt sich in ihm, glaubt so ihn mit seiner Bewegung zu verändern. Denn wie Erdbeben, Vulkanausbrüche, Tsunamis, objektiv subjektiv Leben vernichten und hervorbringen kann es auch eine Revolution des Menschen, indem sich ein Volk oder eine Klasse als Subjekt erhebt und objektiv neue Strukturen erschafft, die in sich jedoch erneut leer sind. Sodass auch sie durch einen Stoffwechsel, etwa das Verlesen des Zettels beim Fall der Berliner Mauer, umgewälzt werden können. Denn bei allem, was sich bewegt, ist der Stoffwechsel das große Andere, das bindet und entbindet, getragen von und durch die Vernunft der Leere.  

So ist die KI technisch neu, kulturell ewig Thema. Denn die Allmacht der Algorithmen beginnt nicht erst mit dem Internet. Sie beginnt, als der Mensch sich von seinen Ahnen und mit ihnen von der Ahnung löste, indem er zum Alphabet fand und das alogische symbolische Denken durch ein imaginär logisches ersetzte. Zuvor waren Bäume, Tiere, Weise, Greise für den Menschen Ahnen, sodass ihr Vorleben das Vorbild des eigenen Lebens war. Diese symbolische Bindung prägt bis heute das Unbewusste und wird vom imaginär bewussten Wissen nur unzureichend überdeckt. So erscheint das technische Lernen mit einer KI als Alternative, weil es scheinbar rein ohne Vorleben ist. Doch losgelöst vom biometrischen Lernen öffnet es der Diktatur Tür und Tor. Freiheit geht anders. Sie ist offen, weit und leer. Indem der Mensch die geistige Leerstelle zwischen Alogik und Logik zum „Un-Grund und Nicht-Sinn“ dekonstruiert. Sodass der Geist der Lebendigkeit uns befreit, indem wir ihrer Autopoiese folgen. Der reinen Vernunft und Ordnung des Bios als „verborgene Harmonie“ auf dem Planeten Erde.

Dekonstruiert sind Identität, Seele, Selbst, Geist das „große Andere“ vor, in und nach dem Bewussten. Aus ihm entwickelt Lacan seine Theorie von der „Leerstelle“ als Ort des „Erkenne dich selbst“, das die Dualität im Denken, Eindeutigkeit durch Vieldeutigkeit ersetzt. Bei Heraklit ist das der „Logos“, für Laotse das „Tao“ (Weg), für Buddha das „Dharma“ (Gesetz) und für Marcel Proust die „Schaffung einer Fremdsprache in der Sprache“. Die von den Ahnen vorgegebene Sprache wird dabei als Vorgabe transformiert, um mit ihr in ihr einen neuen Akzent zu setzen. Kein Wesen kann dabei etwas absolut Neues erschaffen. Alles ist bereits Ahnung, wird mit und in der Transformation neu gesehen. So ist alles eine ständige Weitergabe von Stimmen, ist die eigene Stimme die Summe endloser Stimmen. Die uns nah vertraut, zugleich unfassbar und fremd sind.


Weder Physik noch Phonetik, weder Linguistik noch Psychoanalyse oder Philosophie lehren uns irgendetwas über dieses Wesen der Stimme.“ (Jacques Derrida)


So ist der Hegemon im Bild ohne Autor die Leere. Im Zusammenfallen von Farben und Formen zum „Symptom“ (1) Rede und Ort des frei assoziierbaren Bildes. Rational aufgeklärt auf dem „mittleren Weg“ (2) im „Dazwischensein“ (3) der „Leerheit des Realen“ (4). Sodass Wahrheit die Differenz ohne Autor ist. Kein „Entweder oder“ (richtig oder falsch), kein „Sowohl als auch“ (beides) kein „Weder noch“ (Nichts). „Das große Andere“. Wahr, indem es Wissen und Glauben überwindet, so die Trennung von Objekt und Subjekt, Mensch und Natur, Körper und Geist in Wahrheit aufhebt. Mehrwert und Gewinn machen keinen Sinn, wenn alles obwohl gegenseitig abhängig durch Selbstentfaltung in sich frei ist.

(1) In der Zeichentheorie von Saussure ist das „Symptom“ der offene Moment, bevor „Signifikat“ und „Signifikant“ Zeichen und Bedeutung zum Symbol zusammenfallen. (2) Der Buddhist und Philosoph Nagarjuna im 2. Jahrhundert in Indien, (3) Aristoteles 400 v. Chr., (4) Der französische Psychoanalytiker und „Antiphilosoph“ Jacques Lacan. 

(JT, März 2025)


Das Nichts ist nicht … es wird genichtet durch ein Sein, das es trägt.“

(Jean-Paul Sartre)

Un-Grund des Nicht-Sinns, aus dem der Grund des Sinns geschöpft wird und in dem er sich erschöpft.“

(Jacques Derrida)

Der Geist kann nur den Geist bekämpfen und sich von ihm besiegen lassen.“

(ebenda)