Maler denken mit dem Pinsel in der Hand

Überarbeitetes Vorwort zum Buch „Du sollst dir dein Bild machen – Die Narration ohne Da-Sein“

 

Maler denken mit dem Pinsel in der Hand. Sie denken in Entstehungsformen. Sie erleben, wie aus der Leere des Malgrundes eine Form entsteht und die Leere sich dabei als eine Form erweist, in der alles – unbegreiflich – vorhanden ist. Wie in einem Spiegel, nur hier spiegelt die Leere eine “geistgeborene Wirklichkeit” wider – ein “So-Sein” ohne “Da-Sein”, ein „Nirgendwo“, eine „Utopie“. In einem „Werkstattgespräch“ mit dem WDR entwickelte Beuys 1969 den Menschen als ein „Drei-Stufen-Wesen“. Auf der ersten Stufe ist er ein „Naturwesen“, auf der zweiten ein „Gesellschaftswesen“ und auf der dritten ein „Freies Wesen“. In seinen Briefen „Über die Ästhetische Erziehung des Menschen“ kommt Schiller zu einer ähnlichen Schlussfolgerung: „Der Mensch (…) ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“. Der „Spielende“ („homo ludens“) überwindet den „Zweckhaften“ („homo faber“), so dass das „Nirgendwo“ zum „So-Sein im Da-Sein“ wird, zum „Hier und Jetzt“ wo gesellschaftlich verändernde Prozesse, noch nicht physisch, psychisch bereits stattfinden. Nur das „Freie Wesen“ kann Freiheit neu denken, indem es das „Gesellschaftswesen“ überwindet und sein „Naturwesen“ neu sieht. In diesem, wohl intimsten Moment, sieht der Mensch seine Natur nicht mehr als Kamel: „Du musst!“, endlich als „Spieltrieb“, der die „Selbstwirksamkeit“ mit der „Selbstentfaltung der Wirklichkeit“ verbindet und das „programmierte Denken“ überwindet.

(Juni 2021)