Rede: „WAS MALST DU?“

Überarbeitete Rede zur Eröffnung der „BODYTEXT“- Doppelausstellung am 16.1.2018 in der „Kapelle am Urban“

…Als Künstler bin ich immer wieder mit der Frage konfrontiert: „Was malst du?“ Wenn ich dann sage „Bilder“, oder „meine Bilder“ reicht das nicht und wenn ich das was ich male, das ich male, weil es mehr ist als meine Worte hergeben, dennoch in Worte fasse, werden es Rechtfertigungstexte für mich selbst, die der Andere, der Fremde nicht versteht, weil ihn die Bilder und nicht meine Rechtfertigungen interessieren. So will ich in Worte fassen, was nicht in Worte gefasst ist, von dem ich glaube, dass es sich von selbst erklärt, wenn man eine gewisse Zeit mit meinen Bilder verbringt und nicht nur bemüht ist sie in die richtige Kunstschublade zu ordnen…

Die ausgestellten Arbeiten sind alle aus der Werkphase „BODYTEXT“ und entstanden in einem Jahr zwischen Oktober 2016 und Oktober 2017. DIE GROSSEN in diesem Raum sind aus Acryl, Acryllack und Chinatusche auf Nessel. „Alles ist umgekehrt“, ist mein Motto schon als Kind gewesen. Was ich damit meinte weiß ich bis heute nicht, ich weiß nur, das ist mein erster selbstgefasster Gedanke den ich aus meiner Kindheit erinnere. Das Gehirn entwickelt sich nicht erst durch den Begriff, es wächst bereits pränatal im Mutterleib und postnatal mit dem Körper heran, insbesondere durch das Begreifen der Hand. Das Begreifen, die Existenz würde Satre sagen, kommt vor der Essenz, vor dem Begriff. Erst haptisch, dann kognitiv, entstehen meine Bilder die sie hier sehen. Zunächst wurde eine mit Wasser verdünnte Schicht Acrylfarben – als SUBTEXT – mit den Händen aufgetragen. Auf den moduliere ich mit dem Rakel – profan mit Holzlatten – einen KONTEXT aus Acryllacken. Der Akt es Malens ist dabei wie ein Blick in den Spiegel, nur in diesem ist jetzt kein Weltaußen, ein Weltinnen zu sehen. Der unbewusst aufgetragene SUBTEXT aus Acrylfarben bildet den Grundton des Augenblickes, eine Erfahrung, die im KONTEXT aus Acryllacken ihren Kontrapunkt: Materielle Grenzen sucht. Zwischen diesen beiden implizit und explizit vorhandenen Polen, dem unbegrenzten Weltinnen und dem begrenzten Weltaußen, der Ewigkeit und der Zeit, der Subjektivität und der Objektivität, der Form und der Leere, bildet sich ein Resonanzraum. In diesem, aus diesem Raum sucht und findet der Körper mit dem Rhythmus seiner Gesten und Gebärden Sprache – übersetzt in die Malerei: zum BODYTEXT.

Den Begriff BODYTEXT benutze ich dabei als Adaption. Er stammt aus der englischen Typografie, die den Text eines Buches, sowie den Spalten- oder Fließtext einer Zeitung als Textkörper, als BODYTEXT betrachtet. Das moderne Tanztheater hat den Begriff übernommen und sieht die Körpersprache der Tänzer als BODYTEXT und in der bildenden Kunst bezeichne ich mit ihm Farbflächen, die durch Körpersprache, durch gestische Aktionen Bild geworden sind. Die als Syntax einen spontanen Bildaufbau und als Grammatik eine intuitive Bildordnung haben. Mit dieser Perspektive wird Van Gogh zum Vater des gemalten BODYTEXTes. Sein Bildaufbau ist noch gegenständlich, Abbild, die Folgerichtigkeit einer weltanschaulichen Logik. Von ihr wendet sich die Malerei erst später mit dem abstrakten Bild ab. Doch seine Linienführung ist bereits: „Kunst ist Kunst“. Ein Vorgriff auf das nach ihm kommende. Sie folgt dem Unbewussten, der „verborgenen Harmonie“, ist freie Rede, aus der der Logos spricht. Seine spontan gebildeten Rohrfeder-Zeichnungen konfrontiere er mit den Techniken der fernöstlichen Kalligrafie und Landschaftsmalerei – mit dem „WuWei“. Das als „Nicht-Eingreifen“, „Absichtsloses Tun“ oder „Tun ohne Tun“ übersetzt wird. Mit ihm können wir weder Kontrolle aufbauen, ein bestimmtes Ziel verfolgen, noch eine konzipierte und erdachte Form erreichen. Das war der Grund warum Van Gogh fasziniert, sich dennoch abwendete und ich dabei blieb.

Das meditative, aus dem Weltinnen gewonnene Wissen ist im Gegensatz zum Weltaußen-Wissen körperlos – nur im Körper erfahrbar. Es lässt sich nicht veräußern, weder in Worte, Bilder oder Zahlen fassen, weil es keine Substanz hat. Zunächst, im Stadium des Vorbewussten, ist das Unbewusste alles andere als substanzlos und leer. Da ist es traumatisch und dämonisch. Doch je tiefer wir in dieses Bewusstsein vordringen, umso klarer wird es. Weil es nun kein Ich mehr gibt. Nur noch Es, das reine Bewusstsein der Gedankenleere. Den raumlosen Raum. Die ABSOLUTE FREIHEIT, die dem Leben die Freiheit gibt, zu sein was es ist. Dieses immaterielle Wissen trägt die Geste immanent in sich, auch wenn sie transzendent, mit Farbe in ein Bild übersetzt wird. Allein die abstrakte GESTISCHE MALEREI nahm der Geste, die von Natur aus nicht nicht kommuniziert, das Narrative, verwandelte sie in ein abstraktes Ding, in ein Denkmal des ästhetischen Willens zur Macht. Der BODYTEXT dekonstruiert diese Ästhetik und gibt der Geste die POETIK und dem ZUFALL die Begegnung mit dem „Nicht-Machbaren“ zurück.

So ist aus weltlicher Perspektive der menschliche Geist ein Gekreuzigter. Entsprungen aus dem „Nichts“, das nicht nichts ist. Sondern die „verborgene Harmonie“ des „Nicht-Fassbaren“ und „Nicht-Machbaren“. Dieser Logos ist die Horizontalspannung der Existenz. Die der Mensch als Es, als Nicht-Ich-Nicht-Geist, als Tiefenbewusstsein oder „raumloser Raum“, als (Gedanken)Leere in sich trägt. Als „natürliche Erleuchtung“, wie der Buddhismus sagt. Diese „Natur des Geistes“ stellt der Mensch mit seiner Kultur des Geistes, dem „Ich denke, also bin ich“, in Frage. Er muss das tun, weil sein Fell die Logik ist und er ohne sie in der Natur nicht überleben kann. So bildet allein die menschliche Formatierung des Geistes eine Vertikalspannung – ein „Höher, Schneller, Weiter“ – heraus. Kein anderes mit der „Natur des Geistes“ oder natürlicher Intelligenz ausgestattetes Wesen macht das. Mehr noch. Durch die Identifizierung mit der Vertikalspannung, mit dem Werk des eigenen Schaffens, stellt allein der Mensch die natürliche Intelligenz in den Schatten und erschafft mit dessen Materialisierung und Technisierung ein Über-Ich seines Fortschritts. Das zunächst als Symbol, als Gott im Jenseits angesiedelt wurde und uns heute als KI (künstliche Intelligenz) real auf Erden gegenüber steht. Damit scheint die „natürliche Erleuchtung“, der Nicht-Ich-Nicht-Geist des Wahren, Guten und Schönen hoffnungslos verloren, obwohl – als sei nichts gewesen, nie etwas passiert – sich alles Leben noch immer aus dieser Quelle speist…

Das gilt eben so für DIE KLEINEN (Bilder), die in Farbe wie DIE GROSSEN entstanden und in schwarz-weiß aus Chinatusche, entweder mit dem Spachtel auf Fotokarton oder mit dem Kalligrafie-Pinsel auf Reispapier gefertigt wurden. Dabei bin ich stets auf der Suche nach dem Erhabenen. Nach dem Logos der ABSOLUTEN FREIHEIT, der sich in dem für den Menschen „Nicht-Machbaren“, der Horizontalspannung der Existenz versteckt. Dem eifert die Vertikalspannung, die Logik des „Machbaren“, nach und erreicht dabei trotz all ihrer Freiheit nie die ABSOLUTE FREIHEIT. Weil die „Handlungsneuronen“ im Gehirn sich in ihrer Tat mit sich, mit der Technik ihrer Verknüpfungen identifizieren und so nicht merken, dass sie mit ihrem Ich das Nicht-Ich, das Netzwerk der „Spiegelneuronen“, in den Schatten stellen. So folgen sie lediglich einer Kopie, dem Schein und nicht dem Sein. Diese Konfrontation ist absolut, sie erfolgt wenn das in der Horizontalen entstandene Werk in die Vertikale kommt und sich als Weltinnen, an der Wand hängend, als ein Weltaußen behaupten muss. Jetzt zeigt sich wessen geistiges Kind es ist. Es kann nur durch Schein, durch Logik, durch die Folgerichtigkeit des Gemachten wirken, das, wenn das Werk der „Handlungsneuronen“ absichtslos geschah, sich nicht mehr über das Nicht-Ich der „Spiegelneuronen“, das nicht machbare Sein und dessen Logos erhebt.

Das Wunder ist vollbracht. Mit der absichtslosen Tat legt die Handlung und mit ihr der menschliche Geist sein Kreuz ab. Die Vertikalspannung ist nun ein Muss, das sich in die Horizontalspannung einordnet. Die Logik verschafft dem Logos neue Geltung, indem dessen absolute Freiheit auch in der relativen Freiheit des Gemachten offensichtlich ist. So begründen meine Bilder einen ästhetischen Fortschritt. Fort von der Schönheit der Logik: „Machet euch die Erde untertan“, die die griechische Antike in „Form, Maß und Akribie“, die Renaissance im „Abbild der Natur“, der Sozialismus im „Abbild einer Ideologie“ und die moderne Kunst in der Dekonstruktion all dessen verortet. Hin zum Logos des Wahren, Guten und Schönen, dem Nicht-Ich-Nicht-Geist. Zur Gegenwart des Ewigen oder der ewigen Gegenwart des Nicht-Machbaren. Das ist kein „Zurück zur Natur“. Das ist ein „Vorwärts zum bewussten Sein“ – zum Bewusstsein des Logos. Den der Mensch zunächst in Symbole projiziert hat, dann in Weltanschauungen und -formeln verloren hat, nun endlich als Nicht-Ich in sich wieder erinnert. Dafür liefert der BODYTEXT, mein NICHTNICHTBILD den Kontext…

Mit diesem Gedanken entlasse ich euch in die freie Assoziation der eigenen Nicht-Nicht-Bilder, nicht ohne den Hinweis, dass alle Arbeiten käuflich zu erwerben sind.